Unter dem Pflaster liegt der … Müll

Unterflursysteme bieten viele Vorteile für die Wohnwirtschaft. Die unter-irdischen Abfallcontainer verdrängen nicht nur unschöne Abfallbehälter aus der Stadtlandschaft, sondern sind auch wirtschaftlich rentabel. THE PROPERTY im Gespräch mit Sven Winterberg und Jan Pelka von der Stadtreinigung Hamburg (SRH) über die innovative Abfallentsorgung mit Unterflursystemen.

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Fotos: Stadtreinigung Hamburg

THE PROPERTY Lieber Herr Pelka, wir mussten selbst ein wenig recherchieren, um Ihr System zu begreifen. In der Flüchtigkeit unserer Eindrücke haben wir es mit einer raffinierten Lösung zu tun, den Abfall eine Etage tiefer zu verlegen. Welche Kosten fallen zunächst für die Installation und dann im laufenden Betrieb für die Grundeigentümer an?

JAN PELKA In der Tat lohnt es sich, zunächst einen genaueren Blick auf Unterflursysteme zu werfen. Der optische Aspekt ist nur einer von vielen Vorteilen. Die Systeme stehen in der Regel frei zugänglich und gut einsehbar. Der Zugang wird über ein Schließsystem auf die Bewohner eingegrenzt. Wir verzeichnen daher deutlich weniger wilde Beistellungen, Vermüllungen, Vandalismus und Graffiti. Auch der Ungezieferbefall und die Geruchsbelastung werden deutlich reduziert. Ein weiterer Punkt ist die enorme Platzersparnis. Ein System kann beispielsweise 4–5 herkömmliche 1.100-Liter-Behälter ersetzen. Das spart auch entsprechend Anfahrten und CO2. Ein weiterer entscheidender Vorteil ist die Barrierefreiheit.

SVEN WINTERBERG Insbesondere in größeren Wohnanlagen sind Unterflursysteme auch finanziell interessant. Der Eigentümer muss lediglich die Kosten für den Erdaushub, die Einbauarbeiten und den erforderlichen Betonschacht direkt finanzieren. Der Innenbehälter und die Sicherheitsplattform sind Eigentum der SRH. Diese Kosten inklusive der jährlichen Wartung und Reinigung werden über eine umlagefähige Gestellungsgebühr monatlich abgedeckt. Die Entsorgungsgebühren orientieren sich an den klassischen 1.100-Liter-Müllgroßbehältern. Erfahrungsgemäß lohnt es sich ab 40 Wohnungen, eine Beratung für Unterflur-lösungen anzufragen.

THE PROPERTY Ist Ihr Unterflursystem wirklich überall auf dem Hamburger Stadtgebiet realisierbar? Ist der Untergrund nicht näher an der Elbe und am Grundwasser als der anderer deutscher Großstädte?

JAN PELKA Grundsätzlich ist das System im gesamten Stadtgebiet umsetzbar. Bei einem hohen Grundwasserspiegel kann bereits beim Einbau systemseitig mit einer Auftriebssicherung Abhilfe geschaffen werden.

THE PROPERTY Die Stadtreinigung Hamburg zeigte sich schon vor dieser Idee aufgeschlossen für kreative Lösungen, wenn nicht gar humorvoll, was die ulkige Beschriftung der städtischen Abfalleimer betrifft. Ist Ihr Konzept auch für andere, vielleicht konservativere Kommunen interessant?

SVEN WINTERBERG Die Papierkörbe mit lustigen Sprüchen gehören eindeutig zu unseren erfolgreichsten Kampagnen für eine saubere Stadt, da zeigt sich unsere Kreativität, die uns aus der Masse heraushebt. Und auch bei Unterflursystemen ist Hamburg Vorreiter. Wir verbauen in Kürze das 1.000. System und sind damit deutschlandweit an der Spitze. Darüber hinaus sind wir im regen Austausch mit verschiedenen Systemherstellern und forcieren die Weiterentwicklung. Mit unserer Initiative haben wir beispielsweise ein herstellerunabhängiges Schließsystem mit Transpondertechnik entwickelt. Derzeit arbeiten wir verstärkt an Beleuchtungssystemen, Beschriftungen in Brailleschrift und einer Einhandbedienung. Mit Versuchen in der Sensortechnik forcieren wir den Weg zum smarten System.

JAN PELKA Viele andere Kommunen und Städte verfolgen mit
großer Aufmerksamkeit die Hamburger Entwicklung und informieren sich bei uns ausführlich über die Umsetzungsmöglichkeiten. Inzwischen haben die meisten auch erste Unterflursysteme im Einsatz und orientieren sich hierbei am Hamburger Weg und unseren Erfahrungen und Lösungen.

THE PROPERTY Ihr ›Sammelsystem der Zukunft‹ wirkt nicht nur praktisch und schlüssig, sondern auch ästhetisch, aber es bleibt dabei, dass damit Müll zu entsorgen und eine Weile zu lagern ist. Wie ist das System reinlich zu halten, gerade in den Sommermonaten?

JAN PELKA Unter der Erde ist der Abfall höheren Temperaturen viel weniger ausgesetzt. Geruchsbildung und Ungezieferbefall werden daher deutlich reduziert. Bestes Beispiel hierfür sind übrigens die Länder in Südeuropa, die insbesondere aus diesem Grund bereits seit vielen Jahren auf diese Art der Entsorgung zurückgreifen. Die Stadtreinigung Hamburg führt darüber hinaus einmal im Jahr eine Wartung und Reinigung des kompletten Systems durch. Zudem empfehlen wir die Nutzung unserer Papiertüten für den Bioabfall, um der Geruchs- und Ungezieferbildung sowie der Verschmutzung der Einwurftrommeln vorzubeugen. Hierfür statten wir jedes neue Unterflurobjekt bei Bedarf mit einem Starterset Papiertüten und einem Vorsammelbehälter aus.

THE PROPERTY Ist mit dem Leeren der unterirdischen Müllcontainer nicht deutlich mehr Lärmbelästigung für die Anlieger zu erwarten? Ähnlich wie bei Altglascontainern? Immerhin muss ein Kran den unterirdisch verbunkerten Müllcontainer aus seinem Betonschacht hieven … Und ist der städtische Müllwagenfuhrpark für die neuen Aufgaben umrüstbar?

JAN PELKA Die SRH hat aufgrund der hohen Anzahl aktiver Systeme seit 2014 auf spezielle Kranfahrzeuge mit Presstechnik umgestellt. Darüber hinaus können Unterflurbehälter aber auch mit einem normalen Containerfahrzeug mit Kranaufsatz geleert werden. Solche Fahrzeuge sind in der Regel bei jedem Entsorger im Einsatz und vereinfachen den Einstieg in das neue System.

SVEN WINTERBERG Je nach örtlichen Gegebenheiten ist der Leerungsvorgang sogar geräuscharmer, aber ansonsten vergleichbar mit der herkömmlichen Entsorgung. Die SRH forciert bei den Herstellern die Entwicklung von vollelektronischen Fahrzeugen inklusive des Kranantriebs. Dies würde neben ökologischen Aspekten auch die Lärmbelastung noch mal deutlich senken.

THE PROPERTY Vielen Dank für das erhellende Gespräch! Wir wünschen, dass Ihr Konzept Schule macht und sich auch andernorts durchsetzt!