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5 Fragen an den Architekten Jeremy Würtz von ›Zaeske und Partner Architekten BDA‹ über die Zukunft unserer Städte, attraktiven Wohnraum und die Qualität von Räumen.

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FOTO: Zaeske und Partner Architekten BDA


DIRK BECKER Herr Würtz. Es gibt tausende Architekten, in der Szene gilt Zaeske als Rising Star. Was macht ihr anders?

JEREMY WÜRTZ Zum einen möchten wir eine hohe Raumqualität schaffen. Den Menschen Freude, Sicherheit, Wohlbefinden bescheren. Gleichzeitig wollen wir die Würde dessen, was wir vorfinden, bewahren und vielleicht auch herausarbeiten, verbessern und neue Möglichkeiten eröffnen. Hierbei geht es auch darum, zu verstehen, was verbesserungswürdig ist in einer bestehenden Situation, und Lösungen zu suchen, um die Situation zu optimieren und neue Chancen zu schaffen.

DIRK BECKER Steigende Preise für Rohstoffe und Grundstücke machen das Bauen immer teurer. Während die einen eine Blase fürchten, denken andere über Lösungen beim Bauen selbst nach. Hätten Sie Antworten?

JEREMY WÜRTZ Leider denken wir als Gesellschaft häufig nicht übergreifend. Wenn wir unsere Probleme – fehlenden Wohnraum, Klimawandel, Rohstoffengpässe, Mobilität, Familie, gesellschaftlichen Zusammenhalt – betrachten, wird häufig nach Einzellösungen gesucht. Bei Klimawandel redet man über E-Autos. Bei fehlendem Wohnraum wird über die Erschließung neuer bebaubarer Flächen gesprochen. Diese Art der Problembehandlung führt häufig zu neuen Problemen in anderen Bereichen. Eigentlich muss man tiefer schauen und prüfen, ob unsere Probleme nicht miteinander verlinkt sind. Wir müssen unsere Probleme erforschen und nach ganzheitlichen Lösungen suchen. Ich denke, es ist wichtig, dass wir versuchen, unsere Chancen zu sehen und unsere Möglichkeiten nicht nur lokal und aktuell zu betrachten, sondern auch global und langfristig.

DIRK BECKER Sind Nachverdichtungen und Aufstockungen gute Ideen für Städte oder was wäre wirklich wichtig?

JEREMY WÜRTZ Ja, klar. Eine Nachbearbeitung und Ergänzung des Vorhandenen ist immer sinnvoll. Es ist sinnvoll zu reflektieren, was verbessert werden kann. Unsere Städte bieten viele Möglichkeiten. Wichtig ist, dass wir nicht auf Qualität verzichten und dass wir versuchen, langfristig zu denken. Aber das ist nur eine Teillösung. Es ist neben der Ertüchtigung des Bestandes wichtig, dass wir Neubauprojekte richtig ansetzen. Die richtigen Ziele setzen, um ganzheitliche Lösungen zu bieten. Hierbei sollten wir versuchen, Nachhaltigkeit nicht nur im verwendeten Material anzuwenden, sondern auch in der räumlichen Anordnung und Gestaltung umzusetzen. Ein gutes Beispiel hierfür sind Altbauwohnungen. In diesen findet man häufig mehrere Zimmer mit einer ähnlichen Größe und Raumqualität. Diese Räume lassen somit viel Interpretation zu. Sie können zum Beispiel als Wohnraum, Büro oder Praxis genutzt werden. Aufgrund der Vorgaben der geforderten Wohnbaurichtlinien wird diese Flexibilität und Interpretationsmöglichkeit bei Neubauten unterbunden. Das bedeutet, unsere Neubauten sind in Hinsicht auf eine flexible Nutzung häufig nicht nachhaltig.

FOTO: Zaeske und Partner Architekten BDA



DIRK BECKER Was ist die Herausforderung, wenn man weiterhin günstigen und attraktiven Wohnraum schaffen will?

JEREMY WÜRTZ Ich denke, wir sollten andere Maßstäbe und andere Formen einsetzen. Wir wollen eigentlich alle unsere eigene Privatsphäre, aber in einer netten, geselligen Gemeinschaft. Gerade zuletzt in den von Fluten überschwemmten Gebieten hat man den Zusammenhalt der Gemeinschaft gesehen. Es kommt auf den Maßstab an. Wir sollten dichter bauen, sodass die öffentlichen Verkehrswege wirtschaftlicher sind oder die Menschen mehr mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sein können. Durch eine Verdichtung bestehen auch mehr Angebote an Bewohner. Läden, Restaurants, Parks, Schulen, Schwimmbäder werden fußläufig erreichbar. Gleichzeitig muss ein Maßstab gewahrt werden, der die Anonymität unterbindet. Es muss also die richtige Balance zwischen Verdichtung und Freiraum gefunden werden. Wir brauchen auch mehr Grünräume in der Innenstadt. Wieso sind die schönen Innenhöfe in Wiesbaden mit Stellplätzen für Autos zugepflastert? Wieso dominieren Autos die Außenräume zwischen unseren Häuserm? Die durchfahrende Person ist dominanter in dem öffentlichen Raum als die dort
wohnende Person. Das ist eine Schieflage. Hierbei geht es nicht darum, Autos zu verbieten, sondern die richtigen Maßstäbe zu setzen. Es klingt banal, aber Sachen wie eine Stellplatzsatzung sind wichtige Mittel, die entscheidende Veränderungen in Bewegung setzen können. Falls man zurzeit die Innenstadt von Wiesbaden verdichten möchte, muss man viel Geld zahlen, um Stellplätze abzulösen, oder man muss seinen Vorgarten oder Innenhof Autos opfern. Das kann nicht Ziel unserer Gesellschaft sein.

DIRK BECKER Bauen für die Zukunft. Was sollte man beachten?

JEREMY WÜRTZ Wir müssen unsere Probleme holistisch betrachten. Wir müssen reflektieren, ganzheitliche Ziele setzen und diese hochmotiviert und offen anpacken.

DIRK BECKER Vielen Dank für das Gespräch!