Was Bauherren jetzt wissen müssen

THE PROPERTY hat Bauingenieur Michael Röhn nach den wichtigsten Tipps für Projektierer und Bauherren gefragt.

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THE PROPERTY Herr Röhn, die Baukosten explodieren – die Projektierer werden nervös. Was passiert gerade?
MICHAEL RÖHN Seit Jahren erfreut sich die Bauwirtschaft dank niedriger Zinsen einer guten bis sehr guten Nachfrage. Dies führt zu hohen Preisen. Diese Entwicklung wird derzeit noch zusätzlich angetrieben, weil viele gewerbliche Projekte, die coronabedingt gestoppt wurden, jetzt gestartet werden. Zusätzliche Dynamik in der Preisentwicklung entsteht, weil die Wirtschaft z. B. in China bereits wieder angesprungen ist und dadurch Nachfragedruck auf Baumaterial, wie z. B. Holz, Dämmstoffe, Kupfer und Stahl, über den internationalen Markt auf die deutschen Preise ausgeübt wird.

THE PROPERTY Was können Sie uns Bauträgern und Projektierern empfehlen beim Bau? Schnell noch starten oder warten, bis es wieder günstiger wird?
MICHAEL RÖHN Der Bauherr, der jetzt bauen muss, kann nur zähneknirschend die Preise akzeptieren und sich zusätzlich freuen, wenn er Firmen mit freien Kapazitäten findet. Weil davon auszugehen ist, dass die derzeit aufgestaute Welle im gewerblichen Bau abgebaut wird, sollte sich dieser Preistreiber in den nächsten 12–18 Monaten abgebaut haben. Grundsätzlich ist bei andauernder Niedrigzinspolitik von gleichbleibend guter Baukonjunktur mit Preisen auf stabil hohem Niveau auszugehen.

THE PROPERTY Günstiger Wohnraum ist eine Forderung der Politik – alle bauen aber Luxus-Apartments. Wird die Politik hier eingreifen?
MICHAEL RÖHN Viele Gemeinden und auch der Bund reagieren und legen Förderprogramme auf, die wegen des Wohnungsbedarfs bei Geringverdienern auch verbessert werden. Die Stadt Frankfurt beispielsweise erteilt Genehmigungen für Mehrfamilienhäuser nur noch, wenn ein Teil der Wohnungen als geförderter Wohnraum mit gedeckelten Mieten errichtet wird.

THE PROPERTY Wie schafft man es, günstigen Wohnraum zu bauen bei Mehrfamilienhäusern?
MICHAEL RÖHN Der stärkste Hebel sind flächenoptimierte Grundrisse. Das engmaschige Regelwerk in Deutschland und das Risiko von Folgeschäden bei geringer Qualität geben keinen Spielraum für ›Billigheimer-Wohnungen‹.

THE PROPERTY Welche Tipps haben Sie noch?
MICHAEL RÖHN Es fehlt an kostensenkenden Impulsen aus baurechtlichen Vorgaben. Mit jeder Novellierung von Normen kommt die berühmte ›Schippe obendrauf‹. Ein gutes Beispiel ist der Brandschutz, der seit Jahren zunehmende Kosten verursacht. Aber auch bei Maximalforderungen im Schallschutz könnte ohne signifikante Qualitätsverluste gespart werden. Bei unseren europäischen Nachbarn funktioniert es auch.

THE PROPERTY Wie kann man in der Bauphase Geld sparen?MICHAEL RÖHN Durch flächenoptimiertes Bauen. Corona hat gezeigt, dass Homeoffice funktioniert und nicht jeder Mitarbeiter in der Verwaltung einen Arbeitsplatz im Unternehmen benötigt. Stichwort ›share-desk‹. Außerdem könnten Förderprogramme, wie z. B. die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), die auch Nichtwohnungsgebäude betrifft, genutzt werden. Einer meiner Kunden spart hier einen siebenstelligen Betrag
bei einem Bauvolumen von ca. € 18,0 Mio.

THE PROPERTY Wir rechnen mit einer grünen Ausrichtung bei Neubauten. Wo sehen Sie hier Möglichkeiten, die auch finanziell Sinn machen?
MICHAEL RÖHN Wie bereits erwähnt sollten die Möglichkeiten der BEG genutzt werden. Eine Reduzierung des Transmissionswärmeverlusts der Fassade und der Einsatz regenerativer Energien werden gefördert und senken Betriebskosten.
THE PROPERTY Immer mehr Städte verlangen Wohnraum mit Förderung und Mietpreisbindung, in Frankfurt müssen fast alle Neubauten 20–30 % Wohnungen aufweisen für Menschen mit Berechtigungsschein. Haben Sie hier Tipps für Bauherren?
MICHAEL RÖHN Tipps im Sinne einer Umschiffung dieser oft als unbequem wahrgenommenen Restriktionen gibt es nicht. Bauherren und Investoren sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein, dass Eigentum bekanntermaßen verpflichtet, z. B., dass eine Familie, bestehend aus einem Busfahrer, einer Kassiererin und drei Kindern, eine Möglichkeit haben sollte, in Frankfurt eine bezahlbare Wohnung zu finden.

THE PROPERTY Wenn Mieten gedeckelt werden und die Baukosten steigen, fehlt irgendwann die Rendite. Sind Pauschalmieten mit festen Nebenkosten ein Weg, um für Vermieter die Rendite zu erhöhen?
MICHAEL RÖHN Grundsätzlich ja, wenn sich der Mieter nicht wie im Allinclusive-Urlaub verhält: »Je mehr ich konsumiere, umso billiger wird es für mich.« Bei einem verantwortungsvollen Umgang ist dies ein guter Weg.

THE PROPERTY Was sind die häufigsten Fehler, die Bauherren bei GU-Verträgen machen?
MICHAEL RÖHN Fehlende klare Definitionen des Leistungsumfangs, insbesondere bei Nebenleistungen wie der Beschaffung von Genehmigungen, Kostenverteilung von Erschließungskosten etc. sowie interpretationsfähige Beschreibungen des geforderten Bausolls.

THE PROPERTY Was war Ihre verrückteste Vorgabe einer Behörde?
MICHAEL RÖHN Ein Bauamt eines Landkreises in Südhessen erklärte, dass eine Bearbeitung eingereichter Unterlagen wegen des Heftstreifens an den Plänen (wie von sämtlichen Ämtern, bei denen mein Büro Anträge eingereicht hat, gefordert wird), nicht möglich sei.

THE PROPERTY Vielen Dank für das Gespräch!