Raus aufs Land?
Wie hat Corona die Wohnbedürfnisse der Deutschen verändert? War lange Zeit das Thema Landflucht in aller Munde, ist die Sehnsucht nach einem Leben mitten im Grün plötzlich so präsent wie lange nicht mehr. Dirk Becker über Idyllensehnsucht und die Frage, welche Städte dennoch profitieren.
Viele Jahre gab es eine feste Regel: Wer jung ist, zieht in die Stadt, mitten ins Leben. Auf dem Land bleiben die Alten zurück – und sterben. Viele Studien zeigten, wie dies die Binnenmigration Deutschlands veränderte. Deutschlands Städte ziehen seit 150 Jahren stets neue Einwohner an. Sie wachsen und wachsen. Anders eben die Landbevölkerung: Diese hat mittlerweile sowohl in schrumpfenden Regionen als auch in Wachstumsregionen den niedrigsten Stand seit 1871 erreicht. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Dresdner Niederlassung des ifo Instituts.
Fazit: Das Land überaltert, die Städte bleiben jung und der Gegensatz vergrößert sich rapide. Denn junge Erwachsene ziehen massenhaft vom Land in die Stadt, während Ältere und Alte nicht nur auf dem Land bleiben, sondern zudem aus der Stadt aufs Land ziehen. Dieser Trend ändert sich gerade – insbesondere, was junge Familien betrifft.
Die steigenden Mieten in deutschen Großstädten sind dabei nur ein Grund von vielen. Sie sind so teuer, dass Familien sich das Leben dort oft nicht mehr leisten können. Demnach leben in besonders teuren deutschen Metropolen wie München, Freiburg, Frankfurt am Main und Stuttgart immer weniger Familien, wie die Deutschland-Studie 2019 jetzt zeigt.
Menschen mit Kindern zieht es deshalb wieder aufs Land. Andere Gründe sind Kitas und Schulen, Sicherheit und Lebensqualität. Natur ist ein wesentlicher Faktor, der vor einigen Jahren fast keine Rolle spielte. Doch mit Corona, der Isolation, der gefühlten und nicht gewollten Enge, sind die Familien willens, die Städte zu verlassen und den enormen Freizeitwert des Grüns wieder wertzuschätzen.
Darüber hinaus sind es auch Faktoren wie wenig Lärm, gesundes Klima und gute Luft, die mit sehr wichtig oder wichtig bewertet werden. Faktoren, die lange Zeit kaum beachtet wurden. Bis zu 30 Kilometer sind die meisten Menschen bereit, für die Arbeit zukünftig zu pendeln, und tatsächlich plant schon jeder dritte Mieter unter 50 Jahren nach der aktuellen Sparda-Studie den Kauf einer Immobilie. Das verwundert nicht, denn glaubt man derselben Studie, ist der Anteil der Immobilienbesitzer, die mit ihrer Wohnsituation zufrieden sind, doppelt so hoch wie unter Mietern.
Die Forscher haben auch ein Ranking aller 401 Kreise und kreis-freien Städte vorgenommen, wo es sich am besten für Familien lebt. Auf Platz eins landet der Hochtaunuskreis – besonders wegen des günstigen Lebens und der guten Bildungsquote. Am schlechtesten schneidet der Landkreis Jerichower Land in Sachsen-Anhalt ab.