Was digital im Property Management passiert?
Maryam Neisi ist Chief Operating Officer im Bereich Immobilienverwaltung bei der Benner Holding. THE PROPERTY hat mit ihr über die digitale Revolution gesprochen, über Technik und darüber, was die Digitalisierung im Bereich des Property Managements bedeutet.
THE PROPERTY Welche Rolle spiel die Digitalisierung im Property Management?
MARYAM NEISI Wir befinden uns in der digitalen Revolution, die in vollem Gange ist. Die Technik entwickelt sich rasant und verändert die Art, wie wir leben und arbeiten, uns informieren, wie wir kommunizieren und konsumieren. Die Digitalisierung betrifft sämtliche Branchen und Sektoren, darunter natürlich auch das Property Management.
Die Verwaltung von firmeninternen Daten (Stammdaten) nimmt bei der Digitalisierung eine zentrale Rolle ein. Durch die Aneinanderreihung von Daten entstehen wichtige und wertvolle Informationen. Durch Automatisierung und Zentralisierung der Datenflüsse können potenzielle Gefahren früher erkannt, Entscheidungen schneller getroffen werden. Die Fragen, die sich in diesem Zusammenhang für die Immobilienwirtschaft stellen, sind: Was sind die Risiken und welche Chancen ergeben sich? In welchem Verhältnis steht der Nutzen zu den Kosten? Kein Unternehmen möchte wirtschaftlich ›auf der Strecke bleiben‹, deshalb arbeiten alle mit Hochdruck an ihrer Strategie, um die Digitalisierung aktiv mitzugestalten. Wer sein Geschäftsmodell nicht an den digitalen Wandel anpasst, kann mittel- bis langfristig als Unternehmen auf dem wettbewerbsorientierten Markt nicht mithalten. Um den Kundenanforderungen gerecht zu werden, müssen Unternehmen ihre Prozesse überarbeiten und an den neuen Markt anpassen.
THE PROPERTY Welche Bedeutung haben die Prozesse für die Digitalisierung?
MARYAM NE I SI Mit dem zentralen Datenfluss vereint die Digitalisierung einzelne Fachbereiche miteinander. Die Wege der Daten- und Informationsübermittlung werden verkürzt, Umwege und Einbahnstraßen werden vermieden. Dies kann jedoch nur erfolgen, wenn stabile und optimierte Prozesse im Unternehmen als Basis für die Digitalisierung herangezogen werden. Nur in Verbindung mit Prozessoptimierungen und Automatisierung kann eine enorme Effizienzsteigerung durch die Digitalisierung erreicht werden. Genau aus diesem Grund haben Prozesse eine entscheidende Rolle für die Digitalisierung. Synergien können durch die Digitalisierung nur generiert werden, wenn die dahinter liegenden Prozesse durchgängig und damit lückenlos sind. Es gilt also, Prozesse zu definieren, zu analysieren, zu optimieren und mithilfe von IT-Systemen zu automatisieren. Durch klar definierte Aufgaben, Abläufe und Verantwortlichkeiten sowie eine effektive Kommunikation über die digitalen Kanäle wird eine Qualitätssteigerung und damit eine ganzheitliche Effizienzsteigerung gewährleistet.
THE PROPERTY Welche Risiken gehen mit der Digitalisierung einher? Wie gehen Sie mit diesen Risiken um?
MARYAM NEISI Es gibt zwei sehr wichtige und sensible Themen bei der Digitalisierung, die entsprechend behandelt werden müssen: Daten – Datensicherheit und Datenschutz; Mitarbeiter – Ängste und Kompetenzen. Es gibt gewisse natürliche Hürden bei der Digitalisierung. Das Papier im verschlossenen Archiv vermittelt eine gewisse Sicherheit. Diese Sicherheit in digitaler Form abzubilden, stellt uns vor die Herausforderung, auf dem digitalen Markt den Archiv-Schlüssel zu ersetzen. Hierfür muss man sich zunächst einen Überblick über die digitalen Möglichkeiten von Datensicherung und -sicherheit verschaffen. Dazu zählen der Speicherort der Daten und die Sicherheit beim Datentransfer. Beim Speicherort, der das Archiv ersetzt, muss man für sich entscheiden, ob man eine Server- oder Cloudlösung wählt. Das Thema Datentransfer gestaltet sich etwas komplexer. Hier gibt es diverse zertifizierte Produkte. Ich empfehle, dafür den Rat eines Experten einzuholen.
Das andere Thema ist der Umgang mit den Ängsten der Mitarbeiter. In der heutigen Zeit sind Schulungen und Fortbildungen nicht mehr aus dem beruflichen Alltag wegzudenken. Der Markt ist im ständigen Wandel, die Mitarbeiter passen sich diesem an, um beruflich nicht den Anschluss zu verlieren. Der digitale Wandel stellt jedoch eine sehr große Veränderung dar. Gerade Unternehmen mit ›festgefahrenen‹ Strukturen und langjährigem Mitarbeiterstamm kommen hier mit vereinzelten homogenen Schulungen nicht weiter. Mitarbeiterängste sind individuell und breit gefächert, reichen vom Verlust des Fachwissens und der Unersetzbarkeit bis hin zum Arbeitsplatzverlust. Deshalb ist es sehr wichtig, die individuellen Ängste der Mitarbeiter zu erfassen und diese frühzeitig in den Digitalisierungsprozess zu integrieren.
THE PROPERTY Wie kann so eine Integration aussehen?
MARYAM NEISI Man muss ganz klar durch Einbindung der Mitarbeiter versuchen, ihnen ihre Ängste zu nehmen. So kann es hilfreich sein, einem sehr erfahrenen Mitarbeiter die Teilverantwortung für das Digitalisierungsprojekt zu übertragen. Auf diese Weise bekommt er die nötige persönliche Sicherheit und kann auch andere Mitarbeiter mit ähnlichen Ängsten positiv beeinflussen.
THE PROPERTY Haben Sie ein spezielles Beispiel hierfür im Property Management?
MARYAM NEISI Natürlich. Im heutigen bzw. analogen Property Management funktioniert vieles per Zuruf. Der Klassiker ist die Auftragsvergabe. Wie schnell ist ein Handwerker unterwegs, stellt seine Rechnung – und die Buchhaltung im Property Management kann diese aufgrund fehlender Informationen nur über Rückfragen und Recherchen zuordnen. Abhilfe kann hier durch eine systemseitige Auftragsvergabe geschaffen werden, zu der die Rechnung automatisch zugeordnet werden kann. Dadurch werden Rückfragen minimiert, die Rechnung schneller bezahlt und Budgets systemseitig überwacht, sodass sie eingehalten werden. Der auftraggebende Mitarbeiter muss jedoch die Vorteile oder besser SEINE Vorteile durch die Auftragserfassung im System erkennen, damit er die Bereitschaft entwickelt, seine Arbeitsschritte entsprechend zu ändern. Der Mitarbeiter muss klar erkennen, dass sein kurzfristiger oder vermeintlicher Mehraufwand auf lange Sicht zur Arbeitserleichterung führt.
THE PROPERTY Welche IT-Systeme würden Sie für die Verwaltung von Immobilien empfehlen?
MARYAM NEISI Bei der Auswahl eines geeigneten Systems gibt es keine universelle Empfehlung. Hier kommt es ganz auf das Unternehmen, dessen Strukturen und Anforderungen an. Es muss also im Einzelnen abgewogen werden, welche Lösung am Ende die beste ist. Besonders wichtig bei der Auswahl eines geeigneten Systems ist das Thema der Schnittstellen. Der Markt bietet hier Systeme, die möglichst viele Anforderungen von Immobilienunternehmen in einem abdecken, und Systeme, die viele Schnittstellen zu anderen nützlichen IT-Produkten anbieten. Hier sollte man ganz genau die Anforderungen und Voraussetzungen innerhalb seines Unternehmens unter die Lupe nehmen und für sich entscheiden. Kann beispielsweise ein integriertes System alles, was das Unternehmen benötigt, aus einer Hand bieten, würde sich ein solches eignen. Hierbei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass nicht zu viele ungenutzte Systembereiche mitgekauft werden und zu hohen Kosten führen. Die andere Lösung wäre ein sogenanntes Baukastensystem. Hierbei entscheidet man sich für ein zentrales Verwaltungssystem, das möglichst viele Schnittstellen zu anderen Systemen bietet, die man dann individuell vereint. Dabei sollte man jedoch genügend IT-Ressourcen im eigenen Unternehmen haben, da die Kommunikation der einzelnen Systeme untereinander einer nicht zu unterschätzenden Pflege bedarf. Neben den Funktionen und Schnittstellen spielen weitere Aspekte wie z. B. Kosten, Benutzeroberfläche oder auch Datenstruktur der Systeme eine wichtige Rolle bei der Auswahl. Auch müssen die gesetzlichen Anforderungen an das Unternehmen (HGB, IFSR, BaFin etc.) in die Wahl des Systems eingebunden werden.
THE PROPERTY Welche Rolle spielen Kundenanforderungen bei der Digitalisierung?
MARYAM NEISI Dadurch, dass das Property Management auf diverse Kundenanfragen reagieren muss, z. B. auf Anforderungen des Kunden an Dritte (Investoren, Versicherungen, besondere Reportings), muss das Gesamtpaket, das man als PM anbietet, in sich schlüssig sein. Das bedeutet, dass man alle individuellen Kundenanfragen berücksichtigt und externe Anforderungen an die internen Prozesse sauber anbindet. Das interne Konstrukt darf durch Kundenanforderungen niemals ins Stocken geraten. Man sollte als Property Manager unbedingt von nachgelagerten Individuallösungen für Kunden absehen, da man hierbei den Kunden nur kurzfristig zufriedenstellen kann. Auch deshalb ist die Planungsphase der Digitalisierungsstrategie so wichtig.
THE PROPERTY Wie sieht für Sie eine erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierungsstrategie aus?
MARYAM NEISI Es ist sehr wichtig, zunächst den Fokus auf vorhandene Prozesse und IT-Systeme zu legen. Man sollte eine tiefgehende Analyse darüber machen, ob und wie vorhandene Ressourcen im Unternehmen genutzt und optimiert werden können. Nur wenn von Anbeginn die Prozesse und Systeme aufeinander abgestimmt und harmonisiert sind, kann die Digitalisierungsstrategie zielführend umgesetzt werden und zur gewünschten und auch erwarteten Effizienzsteigerung führen.
THE PROPERTY Vielen Dank für das Gespräch!