Ändert die Mobilität den Immobilien-markt?
Dirk Becker über die großen Trends, Homeoffice und Pendeln. Und warum wir in Zukunft sowohl urban als auch ländlich leben werden.
Bezahlbarer Wohnraum ist längst mehr, als ein Dach über dem Kopf zu haben. Es geht darum, lebenswerte und abwechslungsreiche Orte zu kreieren, an denen Menschen sich wohlfühlen. Immer mehr renommierte Architekten beschäftigen sich mit dem Thema – und finden innovative Wege, selbst sozialen Wohnungsbau attraktiv und nachhaltig zu gestalten.
Wohnraum ist knapp – vor allem in Großstädten. Hier gilt es, bürokratische Hürden abzubauen, Kooperationen einzugehen sowie Methoden zu entwickeln und einzusetzen, um schnelles Bauen zu ermöglichen.
Neue Wohnformen wie Cluster- oder Co-Living ermöglichen private Rückzugsorte und gemeinschaftlich genutzte Räume – so bleibt Wohnraum erschwinglich und zugleich wird Community gestärkt, ein Wir-Gefühl wächst. In ländlichen Regionen lässt sich bezahlbarer Wohnraum häufig leichter realisieren. Mit einer verbesserten Infrastruktur und neuen Gebäude- und Wohnkonzepten wie zum Beispiel Energieautarkie und Miet-Flatrates können auch hier attraktive Wohnräume geschaffen werden, die ästhetisch und zukunftsfähig sind.
Doch ist die Frage nach der Schaffung von neuem Wohnraum auch stets aufs Engste verbunden mit der Frage nach der Mobilität.
Wie werden wir uns in Zukunft von Ort zu Ort bewegen? Was erwarten Gesellschaft und Individuum von Mobilitätsanbietern?
Die ADAC-Studie ›Evolution der Mobilität‹ gibt Antworten und reflektiert ganz nebenbei die Rolle des Autos.
Klar ist, dass die Individualisierung der wichtigste Wachstumstreiber für die Mobilität ist, der Bedarf an Mobilitätsoptionen weiter steigt und das Auto langsam aber sicher seine dominierende Stellung einbüßt.
Das Streben nach Individualität führt zu einer Ausdifferenzierung von Weltanschauungen, einer Vielfalt an Lebensentwürfen, Biografien und Konsumgewohnheiten. Jeder kann heute sein Leben viel stärker nach persönlichen Wünschen und eigenen Vorstellungen gestalten. Das erzeugt eine Freiheit der Wahl, einen zunehmenden, vor allem aber einen veränderten Mobilitätsbedarf. Denn zugleich steigt dadurch auch die Komplexität in den Lebensbedingungen der Menschen: Allgemeine Flexibilitätsanforderungen nehmen ebenso zu wie der Wunsch nach Unabhängigkeit. Alltägliche Versorgungswege und die Familienkoordination bleiben genauso bedeutsam wie die Pflege vielfältiger sozialer Kontakte. Nicht zuletzt sorgen der Wandel der Arbeitswelt, zunehmende Freizeitaktivitäten, Reisen und Tourismus für steigende Mobilitätsansprüche.
Im Auftrag des ADAC hat das Zukunftsinstitut erforscht, welche langfristigen Trends und Entwicklungen unsere Mobilität bis ins Jahr 2040 dominieren könnten.
Die Kernaussage der Studie: »Für eine moderne, sich ständig wandelnde Gesellschaft ist Mobilität unentbehrlich, kaum etwas prägt unser Leben so sehr wie die Bewegung von Ort zu Ort. Das gilt jetzt und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.« Smart Mobility ist der langsame Abschied vom Auto, wie wir es kannten. Dass das Auto seine alles dominierende Stellung verliert, die es bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts innehatte, hängt mit seiner veränderten Funktionalität zusammen. Mitnichten bleibt daher alles wie gehabt. Denn was die Statistik nicht verrät: Der Konsum von Mobilität, wie wir ihn jahrzehntelang praktiziert haben, erlebt gegenwärtig eine historische Zäsur. Was vor uns liegt, ist der Beginn eines neuen, multimobilen Zeitalters. Wir stehen vor ähnlichen Umwälzungen wie nach der Erfindung des Autos vor 125 Jahren. Hinter der vordergründigen Kontinuität verbirgt sich ein evolutionärer Wandel des Sys-tems der Mobilität, der nicht unterschätzt werden darf.
Das Auto wird es vielerorts daher schwer haben und sich im Jahr 2040 nur noch dann behaupten können, wenn es mit ihm gelingt, individuelle Fortbewegung und öffentlichen Verkehr zu verknüp-fen: nur wenn es sich also in den Mobilitätsmix von morgen klug und reibungsfrei einfügt und künftig zu einer wirklich bedarfsgerechten Mobilität beiträgt. Der Pkw bleibt ein wichtiges Fortbewegungsmittel. Aber im Selbstverständnis der Menschen wird er eben nicht mehr zwingend die erste Wahl sein, sondern als Teil neuer, integrierter Mobilitäts- und Verkehrssysteme eine – weitgehend gleichberechtigte – Option unter anderen.
Unsere Lebenswelt erfordert mehr Flexibilität und Mobilität, Entscheidungs- und Anpassungsfähigkeit, permanente Aufmerksamkeit und Erreichbarkeit als je zuvor. Immer mehr Menschen wollen und müssen mobiler leben, arbeiten und konsumieren. Gerade die Lebensstile von Familien, jungen Großstädtern und international vernetzten High Potentials erfordern schon heute ein effektives Zeit- und Mobilitätsmanagement. Job und Freizeit weichen einem hochgradig flexiblen, mobilen Lebensstil, der vor allem auf eines abzielt: stärkere individuelle Selbstbestimmung, Unabhängigkeit sowie die kluge Verbindung von Privat- und Be-rufsleben beispielsweise durch Homeoffice-Modelle und Mobile-Office-Lösungen. Gerade Letzteres wird zur großen Aufgabe der kommenden Jahre, statt weiterhin krampfhaft den Spagat zwischen zwei scheinbar trennbaren Welten zu versuchen. Die Idee der Work-Life-Balance weicht daher zunehmend einem neu-en Verständnis von Vereinbarkeit: Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen Lösungen finden, die steigenden Belastungen durch geschäftliche und berufliche Anforderungen kompensieren und zu einem besseren Work-Life-Blending führen. 2040 wird das Arbeiten dank digitaler Vernetzung, Cloud-Lösungen und innovativer Workplace-Tools ganz überwiegend zeit- und orts-unabhängig möglich sein. Ob unterwegs, von zu Hause, beim Kunden, im Café oder am Strand – mobiles Arbeiten wird zur neuen Norm.
Durch Homeoffice-Modelle und Mobile-Work-Technologien löst sich die einstige Grenze zwischen Berufs- und Privatleben vollständig auf, mit vielen Auswirkungen von den Arbeitszeiten bis hin zur IT-Sicherheit. So sehr flexibles Arbeiten von Angestellten gewünscht und gefordert wird, so sehr müssen neue Wege für eine funktionierende, kluge Verbindung von privaten und beruflichen Anforderungen gefunden werden. Arbeiten im Homeoffice: Die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben löst sich zunehmend auf.